Alle Artikel mit dem Schlagwort: Freiheit

Der Horizont ist endlos weit.

Tina Turner ist tot. Gott hab sie selig. Lange vorbei und trotzdem plötzlich ganz nah – die Erinnerungen von damals, das eigene Lebensgefühl dieser Jahre: «Break Every Rule». Alles war möglich. Mit offenem Dach unterwegs, Tina Turner volle Lotte aus den selbst gebauten Boxen in der Karre, und mit ganz viel Hoffnung, dass Batterie und Lichtmaschine nicht abkacken. Sowie der Gewissheit, dass mir die Welt offen steht, alles möglich ist, … und die mich alle mal können. Wer «die» waren? Wusste ich damals nicht so ganz genau. Die «Spießer» und «Bünzli» halt, …

15. Türchen: «Lebe wild und gefährlich!»

Sagte einst Arthur Schnitzler zu seinem Freund Rimbaud. «Ich war als Kind immer allein draussen unterwegs. Meiner Mutter war es egal, was ich gemacht habe. Hauptsache ich war um 18 Uhr zurück.» Erzählte Ingo Froböse, Professor für Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule, Köln kürzlich in einem Interview. Ja, so sollten Kindheitstage sein. Damit Kinder eine angemessene «Risikokompetenz» entwickeln und sich die Koordinaten einer ebenso angemessenen «Sicherheitskultur» im Erwachsenenleben nicht verschieben. Wie das Soziologen etwas sperrig ausdrücken. Und Menschen nicht schon zwei Tage vorher Angst vor Eisregen haben, der vielleicht gar nicht kommt, weil sich das Wetter nicht an die Vorhersagen hält. Ist halt einfach so, dass man erst wirklich weiss, dass ein Messer zuweilen ein gefährliches Instrument ist, wenn man sich geschnitten hat, …

«Fuck you putinversteher!»

«putinversteher» hat als Lehnwort in den englischen Sprachgebrauch Eingang gefunden. Mit der Konnotation «yes, but …». Unsere angelsächsischen Freunde haben also gut verstanden, was die grossen Relativierer meinen, die mit unverbesserlicher Oberlehrer-Arroganz um Verständnis für den faschistischen Diktator barmen. Erlaube ich mir an dieser Stelle, die englische, obszöne Beleidigung zu zitieren. Die hierzulande auch jeder versteht.

Sch… auf die Impfung!

Sagen im Moment rund 30 Prozent Impfverweigerer. Und fügen dem zeitgeistigen Wahnsinn , nämlich dass eine sich irgendwie in ihren Rechten und Gefühlen verletzte Minderheit die Mehrheit schikaniert, eine weitere zynische – oder irre – Pointe hinzu. Darf man das sagen? Finde ich schon. Denn Klartext reden, heisst nicht zu polarisieren, sondern Klarheit schaffen.

«Millionen Fliegen können nicht irren, fresst Scheiße!»

Irgendwie waren die Zeiten schon lustiger damals, als solche Graffiti vom Bully höhnten, und die Winfrieds und Renates noch «lieber krank feierten», als «gesund zu arbeiten», und vor allem ihre Sprüche noch selbst glaubten. Nostalgie. Vorbei. Verbürgerlicht in der Macht, grau geworden im wärmenden Kokon von Besoldungs- und Entgelttabellen, werden Ausgangssperren gewunden und staatstragend mit öffentlichem Interesse und Berufsverbote für Künstler mit Solidarität begründet. Oder die wirtschaftliche Zerstörung von Existenzen und Zunahme häuslicher Gewalt als Kollateralschaden kleingeredet. Während Opas in Pullunder sowie englischem Tweed und blonde Kraft-durch-Freude-Fräuleins die Wut auf ihre Mühlen umleiten und täglich neue braune Sch… anrühren … Ähm. Schnitt. Stopp. Stopp. Hab‘ mich vergaloppiert und in Rage geschrieben. Apropos Nostalgie: «Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden» ist noch so ein Spruch, der im Gleichklang von staatlicher Verlautbarung und medial weich gespültem Echo und im Dämmerzustand einer offensichtlich von Dauerangst narkotisierten Mehrheit verhallt. Konnte man gerade gestern wieder an einem medialen Grossexperiment studieren: Weil Schauspieler sich erdreisteten, unter dem Hashtag «allesdichtmachen» die Sinnhaftigkeit der aktuellen Massnahmen und das damit verbundene Meinungs-und Gesinnungsklima …

Die Tempo 20-Gesellschaft.

Kennt Ihr das? Irgendwo auf der Landstraße: Alles ist gut, Ihr kommt zügig vorwärts, der Verkehr fließt mit achtzig, auch mal hundert Stundenkilometern. Und dann plötzlich das «Tempo 70»-Schild. Vorbei ist es mit der flotten Herrlichkeit. Denn der brave Steuerbürger vor Dir fährt jetzt nicht 70 wie es da ausgeschildert ist, sondern zwischen 50 und 60. Warum? Das wird dann zur philosophischen Frage, während Du hinter ihm herzuckelst.

Nackt.

«Digitalisierung» und «Transformationsprozess» sind die Zauberworte, mit denen uns die Propheten einer neuen Zukunft locken. Während sie sich klammheimlich die Hände reiben, weil die gegenwärtige Pandemie auf diese Veränderung wie ein Brandbeschleuniger wirkt. «Digitaler Euro», «kontaktloses Bezahlen», «in-house delivery», «digitale Krankenakte» – die schöne neue Welt hat viele Namen. Und wir datteln alle weiter selbstvergessen auf unseren Handys, ohne zu bemerken, wie sich Bürgerrechte auflösen und unsere Identitäten in der virtuellen Welt gegen uns verwendet werden. In der vergangenen Woche hat sich in Finnland allerdings eine digitale Katastrophe ereignet, die es seltsamerweise noch nicht flächendeckend in die Schlagzeilen geschafft hat. Ein Hacker hat die Krankenakten von rund vierzigtausende Patienten eines großen Psychotherapiezentrums in seinen Besitz gebracht. Inklusive der so genannten «Personenkennzeichen».

Der Sprung.

Stille. Das Wasser des großen Stroms zog leise glucksend und tief schwarz vorbei. Rechts, stromabwärts blinkten in der Ferne die Positionslampen der Schleusen am Kraftwerk, gegenüber war der Widerschein der Straßenlaternen des kleinen Dorfs zu sehen. Vor ihm dümpelte die Schwimmblase mit seinem Gepäck. Die hatte Paulo im Schutz der Uferweiden schon ins Wasser gelassen, bevor er sich ein paar Stunden aufs Ohr gelegt hatte. Um zu checken ob, sie dicht war. Er war todmüde gewesen. In einem Rutsch Hamburg-Basel mit einem LKW aus Rumänien, der – eigentlich auf dem Weg nach Rom – jetzt erst mal am großen Grenzübergang gestrandet war. Mit ihm allerdings reiste das Glück, er hatte gleich den nächsten Lift rheinaufwärts bekommen. Dann war er zu Fuß an das flache Uferstück gekommen, das an dieser Stelle ein kleine Bucht bildete. Er kannte sich bestens aus. Schließlich war er hier groß geworden. Eltern und Geschwister wussten nichts davon, dass er in der Gegend war. Gut so. Sie würde er auf dem Rückweg besuchen. Wann immer auch das sein würde.

Kinder an die Macht!

«Sport war einmal ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft, der unter anderem auch die Interessen der Kinder und Jugendlichen mitvertreten hat. Von Kindern und Jugendlichen, die jetzt auch durch den Sport nicht mehr aus dem Umfeld häuslicher Gewalt, die es – geschätzt – in jedem siebten Haushalt in Deutschland gibt, vorübergehend entfliehen können, die seit langem auch fast keine körperliche Interaktion und kein adäquates Bildungsangebot mit Gleichaltrigen mehr hatten.» Professor Perikles Simon in der FAZ vom 13. Mai 2020